O P I U M

Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung,
als du noch hell rochst, nach Waschmittel,
und die erhabenen Knochen deiner Handgelenke
blitzten an den hochgekrempelten Enden deines
Flanellhemdes hervor als du auf mich
deutetest.
Einzelne braunblonde Strähnen hatten sich aus
der Umklammerung deines Haargels gelöst und
warfen kleine Schatten auf deine blasse
Stirn.
So oft strich ich sie dir aus dem Gesicht,
bloß des symbolischen Aktes der Berührung
wegen.
Ich erinnere mich an die Löcher an deinem
linken Hosenbein, die mein Blickfeld wie
magnetisch anzogen und die gerade breit
genug waren, um einen kleinen Finger
darin verschwinden zu lassen. An die zart
hervortretende, schrammenübersäte Haut
deines Oberschenkels.
Ich erinnere mich an unser erstes Gespräch,
an die kleine Bank an dem Brunnen,
der nie mit Wasser gefüllt war,
sondern bloß mit dem Müll jener, die
diesen Platz vor uns für sich entdeckt
hatten.
Die Telefonate, die mich nächtlich wach
hielten. Nirvanabeige und himmelskörperblau.
Wohin bist du verschwunden in der Nacht,
in der wir nebeneinander lagen und
ich dich gefragt habe, weshalb deine Augen
grau geworden sind?

#3 Wurde jemals ein guter Text verfasst, in dem es um etwas bedingungslos Positives gegangen wäre? Hypothese: Das Schreiben ist in seiner Art eigentlich immer auch eine Anklage gegen jemanden oder etwas. So sehr ich auch überlege, ich kann keinen Gegenbeweis für diese Überlegung finden. Alles Schreiben ist vielleicht ein Ausdruck tiefsten Masochismus. Per Definition gilt derjenige als masochistisch, der Befriedigung durch Leid oder Demütigung empfindet. Und tut das nicht derjenige, der sich seinem Schicksal entzieht, indem er in all der Wut und all dem Veränderungswillen Positives an dessen künstlerischer Sublimierung empfindet? Masochistisch bedeutet nicht, wenig kämpferisch, sondern im Gegenteil. Nur wer das Leid in Kauf nimmt, kann aufrichtig für die Sache kämpfen. Sind es nicht die Missempfindungen, die uns an den Schreibtisch, auf die Straße, aufs Feld quälen? In jedem Fall ist es zu jeder Zeit einfacher, kein Künstler zu sein, als ein Künstler zu sein und ich kann mir keinen anderen Grund erdenken, als einfach nicht anders zu können, als vor Trauer, Entsetzen, Mitgefühl oder Wut zu schreiben. Wie wäre es mir möglich, jemals einen Text über dich zu schreiben, der das Einzige auf dieser Welt ist, gegen das ich, solange ich suche, keine Anklage finden kann. Der das Einzige ist, das in mir ungetrübt gute Gefühle hinterlässt. Das einzig bedingungslos Gute in meinem Leben bist du. Und mehr Worte kann und werde ich dafür nie finden.